Microsoft stellt die kommende Office-Generation vor – Gastbeitrag von Axel Oppermann

Am vergangenen Montag hat Microsoft die kommende Generation seiner Office-Produkte in San Francisco vorgestellt. Im Newsletter der Experton Group hat Analyst Axel Oppermann die für ihn zentralen Inhalte und
seine Empfehlungen vorgestellt:

„Microsoft geht mit der kommenden Office-Generation einen weiteren starken Weg in die Cloud. Dies ist die Quintessenz der Ausführungen und Präsentationen vom vergangenen Montag. In den Vordergrund wird Office 365 rücken. Office 365 wird die neue Dachmarke - also die übergeordnete Marke im Markensystem der Microsoft Office-Produkte. Nicht nur die Bedeutung von Office 365 wird in diesem Zusammenhang ausgebaut, sondern auch die Positionierung. Aktuell ist Office 365 auf den Markt für Geschäftskunden ausgereichtet. Hier konkurrieren unterschiedliche Servicepläne u.a. mit Google Apps for Business, einzelnen Applikationen wie SlideRocket und zukünftig auch mit IBM Docs. Das wird sich zukünftig ändern. So wird es zukünftig auch einen dezidierten Serviceplan für Privatanwender geben, der Word bietet, PowerPoint, Excel, Outlook, OneNote, Access und Publisher beinhaltet, auf bis zu fünf PCs ausgerollt werden kann und mit 20 GB Speicher im Microsoft Cloud-Storage SkyDrive aufwartet. Dieser ,Office 365 Home Premium‘ getaufte Service bildet den Einstieg in die zukünftige Office-Welt für Privatanwender. Ferner wird es einen ,Office 365 Small Business Premium‘ genannten Service für kleine bzw. kleinere Unternehmen geben. Dieser Service beinhaltet u.a. Mail- und Kalenderfunktionen sowie Webconferencing-Funktionen. Hinzu kommt der Service ,Office 365 ProPlus‘.

Dieser richtet sich an Enterprise-Kunden. 

Allerdings wird Microsoft sein traditionelles Geschäftsmodell mit Office 2013 (noch) nicht aufgegeben. Der Office 2013 Client selbst wird noch mit einer entsprechenden (unbefristeten) Lizenz angeboten werden; ebenso
wie die nächste Generation von Office-Server-Exchange, SharePoint, Lync und Project.

Somit wird, laut den Ausführungen von Microsoft, Office offline auf den Geräten nutzbar sein, aber auch komplett als Cloud-Service

Exakte Informationen über Verfügbarkeit, Lizenzierung und Preise wurden nicht kommuniziert. Diese werden für den Herbst erwartet. Aktuell gehen wir von einer zeitlichen Diskriminierung der on-premises Versionen
gegenüber den Office 365 Serviceplänen aus. Wir rechnen damit, dass die neuen Office 365 Servicepläne zwischen Oktober (mutmaßlich unmittelbar zur allgemeinen Markteinführung von Windows 8) und - wahrscheinlicher - Dezember erfolgen wird. Für die on-premises Varianten gehen wir von einer allgemeinen Verfügbarkeit für das erste Quartal 2013 aus - mutmaßlich Februar/März.

Die Applikationen: Word, Excel, Outlook, OneNote

Die Client-Produkte wurden nicht nur optisch ordentlich aufgeräumt, sondern haben auch zahlreiche neue Funktionen erhalten. So ist das Bearbeiten von pdf-Dokumenten in Word möglich, Excel bietet u.a verbesserte
Visualisierungsoptionen sowie neue interaktive Funktionen rings um die Pivot-Tabellen. Nachfolgend einige ausgewählte neue Funktionen für die einzelnen Produkte

Word

Neue und verbesserte Features werden vor allem in folgenden Bereichen geboten: Lesen, gemeinsame Nutzung von Dokumenten und
Dokumenten "den letzten Schliff geben". [Fett jeweils die neuen Funktionen]

 

*             Lesemodus entfernt alles, was ablenkt, für einfache Konsumierung von Inhalten; der Text fließt automatisch in Spalten, die an die Bildschirmgröße angepasst sind.

*             Objekt-Zoom Damit können die Anwender per Doppelklick in Bilder und Objekte ihre Tabellen, Charts und Bilder auf den Bildschirm holen.

*             Weiterlesen Diese Funktion setzt automatisch ein Lesezeichen an der zuletzt genutzten Stelle im Dokument.

*             Auf- und Zuklappen um Absätze unter ihrer Überschrift mit nur einem Klick anzuzeigen oder zu verbergen. 

*             Antwort-Kommentare für das einfache Verfolgen von Kommentaren direkt neben dem entsprechenden Text. Der Anwender sieht, wer wem wann geantwortet hat, und kann, wenn es Sinn macht, sich zur Sache austauschen.

*             Present Online für das gemeinsame Nutzen eines Dokuments auf dem Bildschirm des Anwenders zusammen mit anderen Nutzern über deren Browser, auch wenn sie kein Word verwenden.

*             Passwortgeschützte Änderungsverfolgung Damit kann die Änderungsverfolgung mit einem Passwort versehen werden, um zu gewährleisten, dass sie nicht deaktiviert wird, und somit wirklich alle Änderungen erkennbar sind.

*             PDF Reflow Damit können PDF-Dokumente geöffnet werden; PDF-Inhalte werden als Dokument-Elemente aufbereitet, als ob sie in Word erstellt worden wären.

*             Einfügen von Online-Bildern Mit dieser Funktion können Bilder aus Online-Quellen / Online-Fotodiensten direkt in Word eingefügt werden, ohne sie vorher auf dem Desktop, Notebook oder Tablet abspeichern zu müssen.

Excel

Excel bietet eine bessere Darstellung und leichter verständliche Daten. [Fett jeweils die neuen oder angepassten Funktionen]

*             Quick Analysis Lens für einen schnellen und einfachen Zugriff auf neue und bessere Möglichkeiten der visuellen Datendarstellung.

*             Recommended Charts (Empfohlene Charts) für die bestmögliche Visualisierung von Informationen auf Basis von Datenmustern.

*             Recommended PivotTables (Empfohlene Pivot-Tabellen) mit optionalen Vorschlägen, wie Daten in einer interaktiven Pivot-Tabelle zusammengefasst werden könnten.

*             Flash Fill für das einfachere Neuformatieren und Umstellen von Daten.

*             Steuerung von Chart-Formaten für das schnelle und vereinfachte Ausarbeiten und Aufbereiten von Charts über eine neue interaktive Schnittstelle.

*             TimelinenSlicer ermöglicht die Anwendung eines visuellen Zeitfilters auf Daten, Grafiken oder Pivot-Tabellen. Hierdurch kann zum Beispiel auch mit nur einem Klick die Entwicklung der Performance im Monatsvergleich gezeigt (durchlaufen) werden

*             Animierte Grafiken für eine bessere Darstellung und ein besseres Verständnis von Änderungen in Grafiken, wenn Zahlen angepasst oder neue Datenpunkte eingefügt werden.

OneNote

OneNote bietet verbesserte Features für den Zugriff auf Notizen, die Suchfunktion und Synchronisierungsmöglichkeiten. [Fett jeweils die neuen oder angepassten Funktionen]

*             Auto-Updating File Views für die Vorschau von Inhalten aus integrierten Excel und Microsoft Visio Dateien, inklusive aller vom Anwender vorgenommenen Aktualisierungen.

*             Device Accessibility gewährleistet den Zugriff auf eine OneNote Applikation über das Windows Phone, iPhone, iPad, Android Telefone sowie Nokia Symbian Telefone.

*             Weiterlesen Diese Funktion setzt automatisch ein Lesezeichen an der zuletzt genutzten Stelle in einem Notizbuch; so kann man auch, wenn man einen anderen PC oder Tablet PC benutzt, gleich da weitermachen, wo man aufgehört hat.

Outlook

Outlook zielt auf eine übersichtlichere Darstellung wichtiger Kontakte, Diskussionen und Aufgaben von allen Nutzerkonten eines Nutzers ab. [Fett jeweils die neuen oder angepassten Funktionen]

 *             Peeks zeigt Termine an, liefert detaillierte Infos über die Person, die angemailt wird, und ermöglicht Nutzern, ihre Aufgaben zu überprüfen - und das alles ohne den Bildschirm zu wechseln oder den Kontext zu verlieren.

*             Inline-Antworten für die Konzentration auf das Wesentliche: Anwender können mit einem Klick auf Emails antworten (ohne ein neues Fenster zu öffnen) oder schnelle Antworten von der Liste abhaken.

 

Die überarbeiteten Client-Produkte überzeugen durch ein sauberes User Interface und zahlreiche neue Funktionen. Anwender werden jedoch nur größeren Nutzen ziehen, wenn sie hier ganzheitliche Arbeitskonzepte - bestehend aus den Komponenten Social, Device, Cloud und Dokument - umsetzen.

Auch wenn die einzelnen Funktionen nicht spektakulär klingen, ist dennoch die Summe der Anpassungen und Erweiterungen enorm. Es drängt sich der Eindruck auf, dass Microsoft hier das Feedback von Anwendern gehört, aufgenommen und umgesetzt hat. Beim Testen einzelner Funktionen (durchgeführt auf einem Tablet von Samsung mit Windows 8 und der Office-Preview) wird schnell klar, dass die kleinen - aber feinen - Anpassungen und Erweiterungen die Arbeit bzw. die Interaktion mit der Anwendung deutlich erleichtern. Die Eingabe- und Steuerungsfunktionen über Touch und Stift funktionieren gut.

Fazit & Empfehlungen

Alleine schon durch die Positionierung unter der Dachmarke Office 365 wird ein Zeichen gesetzt. Es wird zwar zukünftig weiterhin eine Client-Version (2013) geben - diese steht aber wohl im Hintergrund, wenn es um die Ansprache der Kunden geht. Entscheider in Anwenderunternehmen sollten sich den entsprechenden Tendenzen, sowie der Strategie von Microsoft bewusst sein, und mögliche Auswirkungen für die eigene IT-Strategie (in diesem Teilbereich) intensiv diskutieren.  

Bei der Fokussierung auf Office 365 handelt es sich um einen geschickten - aber riskanten - Schachzug von Microsoft. Das Ziel ist klar: Office soll die Oberfläche werden, in welcher Informationen integriert
werden (sind) und Menschen interagieren. In anderen Worten: Die neue Generation von Office wird in erster Linie ein Service sein. Die Cloud steht im Fokus - wohl auch um der Fragmentierung bei den Geräten (sowie den Angeboten anderer Innovatoren) zu begegnen. Die Erfolgsformel soll lauten: Social + Device + Cloud + Informationen (=Dokumente + Daten) = zentrale Oberfläche/Plattform.

Es ist jedoch fraglich, ob insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen diesen Entwicklungen folgen. Für Privatanwender ergeben sich durch die neuen Angebote durchaus interessante Nutzungsmodelle. Jedoch ist auch hier fraglich, wie die tatsächliche Wahrnehmung der Privatanwender zu einer starken Nachfrage führt.

Der größte Hemmschuh für Microsoft und Office 365 / Office 2013 ist die "gut genug-Einstellung" vieler Entscheider in Anwenderunternehmen. Immer mehr Entscheider kommen zu der Erkenntnis, dass die Lösungen von Google, SlideRocket oder Zimbra vollkommen ausreichen. Und auch immer mehr Anwender wollen Devices, Applikationen, etc. losgelöst von den Vorgaben der IT-Abteilung nutzen. Microsoft muss es schaffen, diese ,haben wollen‘-Gefühl, welche auf die ,es einfach verwenden-Mentalität‘ aufbaut, zu adressieren.

Der in Office integrierte App-Store bietet sowohl für Entwickler als auch alle Gruppen von Anwendern (Consumer und Business) eine mächtige Option, durch Ergänzungen den Mehrwert von Office zu steigern. Die direkte Integration von Web-Services in Produkte wie Word, Excel oder Outlook ermöglichen eine starke Vernetzung von unterschiedlichen Datenquellen und die deutliche Aufwertung von Inhalten in Dokumenten oder Emails.

 Eine Plattformübergreifende Verfügbarkeit dieser Produkte - insbesondere der Clients - wird ein entscheidender Erfolgsfaktor der kommenden Office-Generation werden. Jedoch hat es Microsoft versäumt, eine
plattformübergreifende Version von Office zu positionieren. Die fehlende Ankündigung einer Client-Lösung/Applikation für das iPad (iOS) ist (aktuell) eine verpasste Chance. Bei den Vorstellungen konzentrierte sich Microsoft stark auf das Zusammenspiel mit Windows 8, machte allerdings auch gleichzeitig klar, dass die kommende Office Generation auch auf Windows 7 laufen wird. Das Windows Vista und Windows XP nicht unterstützt wird, ist klar und richtig. Es kann jedoch davon ausgegangen werden, dass zum Zeitpunkt der Markteinführung eine entsprechende App angeboten wird. Eine fehlende Ankündigung zum jetzigen Zeitpunkt kann darauf zurückgeführt werden, dass Microsoft alles unternimmt, um den Fokus und das Interesse der unterschiedlichen Zielgruppen nicht von Themen wie Windows 8 abzulenken.

Entscheider in Anwenderunternehmen sollten sich frühzeitig mit den Funktionen und Möglichkeiten der kommenden Office Generation auseinandersetzen. Auch dann, wenn gerade eine Umstellung auf Office 2010 erfolgt ist, oder geplant wird. Die angekündigten und noch zu erwartenden strategischen Änderungen haben auch Auswirkungen auf diese Unternehmen.

Anwenderunternehmen die noch auf Office 2003 oder Office 2007 verharren, sollten entsprechende Szenarien durchspielen. Hierzu ist auch auf die Adaptionszyklen einzelner Anwender auf Funktionen und Nutzungsszenarien abzuzielen (hierüber haben wir im Rahmen des Newsletters bereits öfters berichtet). Die größte Herausforderung für Anwenderunternehmen wird nicht darin liegen, die kommende Generation von Microsoft-Office technisch im Unternehmen einzuführen. Die Herausforderung liegt vielmehr in der Anpassung der Arbeitsprozesse, die durch die neuen Möglichkeiten gegeben werden, und in der Hebung dieser Vorteile/Optionen.“

Autor:
Axel Oppermann, Senior Advisor bei der Experton Group AG

Posted
by Ines Gensinger

Leiterin Business- und Consumer Kommunikation & Analyst Relations