Karl-Theodor zu Guttenberg über transatlantische Beziehungen bei Microsoft

Die transatlantischen Beziehungen erleben einen Paradigmenwechsel: Standen lange Zeit Fragen der Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Vordergrund, so prägen aktuell Handels- und Datenschutzthemen die Diskussion. Zu einem der derzeit wichtigsten – und kontroversesten – Projekte in der Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA gehört das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP). Unterschiedliche Positionen auf beiden Seiten des Atlantiks zum Schutz von Daten stellen die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Europa und den USA vor völlig neue Herausforderungen und verzögern die Verhandlungen.

Mit den Veranstaltungen im Rahmen unserer Vortragsreihe „Transatlantischer Dialog“ bei Microsoft Berlin möchten wir in dieser wichtigen Debatte Impulse setzen. Gestern beleuchtete Karl-Theodor zu Guttenberg, Chairman von Spitzberg Partners und ehemaliger Bundesminister, in seinem Vortrag „Big Data zwischen Chaos und Ordnungspolitik“ die Konfliktlinien aus europäischer und US-Perspektive. Vor rund 170 Gästen skizzierte er die Möglichkeiten zur Überwindung von politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt kulturellen Differenzen.

Die transatlantischen Beziehungen aus der Geiselhaft der NSA-Debatte befreien

Guttenberg stellte fest, dass die NSA-Affäre tiefe Wunden im transatlantischen Verhältnis hinterlassen habe, die noch lange Zeit zum Heilen benötigten. Bedenklich sieht er den sich immer weiter ausbreitenden Anti-Amerikanismus im Zuge der NSA-Enthüllungen. Handelsabkommen wie TTIP seien dadurch zur „Geisel in der Debatte rund um die NSA“ genommen worden, so zu Guttenberg. Dabei müssten alle Akteure aufpassen, die fragile Struktur des Internets nicht noch weiter zu gefährden und es nicht zu balkanisieren. Gedankenspiele wie die Euro-Cloud und das Schengen-Routing kämen einer Lösung nicht näher, sondern rückten sie im Gegenteil in immer weitere Ferne.

Das viel größere Problem ist laut zu Guttenberg, dass auf keiner Seite die Zuständigkeiten zu digitalen Themen gebündelt sind – weder in den USA, noch in Deutschland und schon gar nicht auf europäischer Ebene. Stattdessen stelle er eine Machtverschiebung in zentralen Themenfeldern von staatlichen Institutionen hin zu privaten Akteuren fest.

Das transatlantische Freihandelsabkommen sieht der ehemalige Bundesminister dadurch in immer weitere Ferne rücken. Die Vorstellungen Europas, die eigene Position bezüglich des Datenschutzes durchzusetzen, seien illusorisch. Man solle sich von dem Gedanken lösen, dass Europa und die USA dieselben Werte vertreten. Im Gegenteil: Es gäbe signifikante Unterschiede auf beiden Seiten des Atlantiks und es würde den transatlantischen Beziehungen gut tun, sich dieser Unterschiede anzunehmen. In den USA seien die Menschen eher bereit, auf Datenschutz zu verzichten, um ein höheres Maß an Sicherheit zu erlangen. An diesem Punkt müsse man den kleinsten gemeinsamen Nenner finden, anstatt „nach den Sternen zu greifen.“ TTIP noch das Thema Datenschutz anzuhängen, käme einem „Begräbnis erster Klasse“ gleich.

Die Zukunft der transatlantischen Beziehungen

Doch was muss passieren, um die transatlantischen Beziehungen wieder in die richtigen Bahnen zu lenken? Laut Karl-Theodor zu Guttenberg stehen aus wirtschaftlicher Perspektive die IT-Unternehmen in der Pflicht, mehr Transparenz in ihrem Handeln an den Tag zu legen: Welche Daten werden zu welchem Zweck gespeichert und an wen weitergeben? Auf politischer Ebene brauche es, so zu Guttenberg, eine zentrale Institution, die alle Stränge in diesem komplexen Themenfeld bündelt. Deutschland sollte dabei eine wichtige Rolle einnehmen: „Von Deutschland könnte eine transatlantische Initiative ausgehen, ein Netzwerk vieler Akteure auf beiden Seiten des Atlantiks.“ In keinem Fall dürfe Deutschland in der aktuellen und künftigen Debatte Zurückhaltung üben.

Microsoft unterstützt die Stärkung der transatlantischen Beziehungen und sieht insbesondere in dem geplanten Freihandelsabkommen eine einzigartige Gelegenheit für Europa und die USA, einen globalen und digitalen Binnenmarkt zu schaffen, der das Wachstum auf beiden Seiten des Atlantiks voranbringt. Deshalb muss digitale Agenda ein wesentlicher TTIP-Verhandlungspunkt sein.

Veröffentlicht von Henrik Tesch, Direktor Politik und Gesellschaftliches Engagement von Microsoft Deutschland