Flexibles Arbeiten als Motor des Digitalen Wirtschaftswunders

 

Die Digitalisierung ermöglicht uns, unabhängig von Ort und Zeit tätig zu sein und verleiht unserem (Arbeits-) Alltag eine neue, produktivere Struktur. Wer heute im Café, während des Schwimmunterrichts der Kinder oder im Flugzeug auf Geschäftsreisen arbeitet – aber eben nicht mehr ausschließlich in den klassischen Büroräumen von nine-to-five –, gilt nicht mehr wie vor vielen Jahren noch als Exot, sondern viel mehr als Vorreiter. Es sind aber nicht nur die Mitarbeiter selbst, die von einer flexibleren Arbeitsgestaltung profitieren, sondern auch die Unternehmen und der gesamte Wirtschaftsstandort Deutschland. Eine Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hat herausgefunden, dass Unternehmen mit flexiblen Arbeitsmodellen zu 11 bis 14 Prozent mehr neue oder verbesserte Produkte auf den Markt bringen als solche mit herkömmlichen Arbeitszeitregelungen. Wir sprechen also völlig zurecht von einem Digitalen Wirtschaftswunder, angeschoben und vorangetrieben mit der Kraft moderner Technologien.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat die Digitalisierung der Arbeitswelt mit dem Dialog „Arbeiten 4.0" und gleichnamigem Grünbuch auf seine Agenda gesetzt. Damit will es eine Diskussion darüber in Gang setzen, wie wir arbeiten wollen und welche Gestaltungsmöglichkeiten es für Unternehmen, Beschäftigte, Sozialpartner und Politik gibt. Bei Microsoft beschäftigen wir uns mit dem Thema bereits sehr lange – zum einen durch unsere Rolle als Anbieter von Technologien, die das Neue Arbeiten ermöglichen, zum anderen aber vor allem aus unserer Funktion als Arbeitgeber heraus. Als Mitglied des Arbeitskreises „Arbeiten 4.0“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werde ich in den nächsten Monaten meine Erfahrungen als Personalchefin und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland einbringen und die Debatte um die neue Arbeitswelt weiter vorantreiben.

Zusammenspiel von Mensch, Ort und Technologie

Erst vor einigen Wochen habe ich gemeinsam mit meinem Kollegen Dr. Thorsten Hübschen das Buch „Out of Office – Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen“ veröffentlicht. Darin beschreiben wir unsere Vision der Zukunft der Arbeit und welche Wege uns dahin führen. Bei Microsoft haben wir als Grundlage für unsere Arbeitskonzepte drei Säulen definiert. Wir befähigen unsere Mitarbeiter – die Menschen –, auf Basis von Betriebsvereinbarungen zur Vertrauensarbeitszeit und zum Vertrauensarbeitsort, Eigenverantwortung zu übernehmen. Wir schaffen Orte, die eine optimale Mischung aus individueller und kooperativer Arbeit unterstützen. Und wir nutzen Technologien, die zeit- und ortsunabhängiges Arbeiten mit flachen Hierarchien und einer engen Vernetzung ermöglichen. Nur dieses Zusammenspiel von Mensch, Ort und Technologie versetzt uns in die Lage, die Arbeit neu zu erfinden.

Von ganz zentraler Bedeutung ist für mich beim Wandel der Arbeitswelt das Thema Führung. Gerade Wissensarbeiter verlangen in einer zunehmend flexiblen Arbeitswelt eine von Kollaboration, Kooperation und Ergebnisverantwortung geprägte Unternehmenskultur. Eine traditionelle Führungskultur ist dabei weder zeitgemäß noch zielführend. Leider orientieren sich viele Unternehmen dabei jedoch nach wie vor eher am Zeitalter der Industrialisierung denn der Digitalisierung.

Die Studie „Kompass Neue Arbeitswelt 2015“ von XING und Statista verdeutlicht: Für fast zwei Drittel der deutschen Arbeitnehmer ist eine Zusammenarbeit über Abteilungen und Hierarchiewege hinweg nicht möglich. Unternehmen müssen dieses Silodenken aufbrechen – nicht nur für ihren eigenen Erfolg, sondern auch um den Standort Deutschland zu stärken. Die Initiative Neue Qualität der Arbeit hat in ihrer Studie „Führungskultur im Wandel“ herausgefunden, dass mehr als drei Viertel der Führungskräfte davon überzeugt sind, dass der Standort Deutschland ohne eine grundlegende Änderung der Führungspraxis weit unter seinen Möglichkeiten bleibt. Wir brauchen daher eine Führungskultur, die auf Vertrauen und nicht auf Kontrolle basiert. Wir brauchen Führungskräfte, die als Coach inspirieren und nicht als Weisungsgeber demotivieren. Wir brauchen eine Personalentwicklung, die die Stärken der Mitarbeiter in das Zentrum stellt und nicht ihre vermeintlichen Schwächen. Wir brauchen eine Leistungskultur, die sich an Ergebnissen orientiert und nicht an Anwesenheit. Kurzum: Wir brauchen ein dringend notwendiges Update in den Führungsetagen.

Modernes Arbeiten braucht politische Rahmenbedingungen

Der Übergang in die neue Arbeitswelt findet aber nicht allein in den Unternehmen statt, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche und vor allem auch politische Aufgabe. Mit dem nun gestarteten Dialog „Arbeiten 4.0“ lässt die Bundesregierung der Ankündigung aus ihrer Digitalen Agenda, die Chancen der Digitalisierung und flexibler Arbeitsmodelle besser zu nutzen, erste Taten folgen. Dabei haben wir alle aber noch einen langen Weg und viele Fragen vor uns: Wie können wir digitale Kompetenzen über alle Altersgrenzen und Berufsgruppen hinweg vermitteln? Wie lässt sich das bestehende Arbeitsrecht sinnvoll in das digitale Zeitalter übertragen – Stichwort Arbeitsstättenverordnung? Diese und weitere Fragen gilt es nun zu diskutieren und in dem für Ende 2016 geplanten Weißbuch „Arbeiten 4.0“ zu beantworten.

Was ist Ihre Meinung zur Flexibilisierung und Digitalisierung der Arbeitswelt? Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden, um von der neuen Arbeitswelt zu profitieren? In welche Richtung sollte sich die Führungskultur in den Unternehmen verändern? Ich freue mich auf Ihre Meinungen und Diskussionsbeiträge via Twitter unter #DigitalesWirtschaftswunder.

Ein Beitrag von Dr. Elke Frank
Senior Director Human Resources und Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft Deutschland
sowie Autorin von „
Out of Office – Warum wir die Arbeit neu erfinden müssen