Blind (Skype) Dates mit Regisseuren – oder die Entstehung von PHONE HOME

Im Rahmen des interkulturellen Theaterprojekts PHONE HOME befasst sich Michael Sommer als Gastautor auf dem Microsoft Presseblog mit den Themen der Digitalisierung, vernetzten Arbeitsweisen und Kommunikationstechnologien im Kontext des Theaters. Er leitet als Artistic Director den deutschen Teil von PHONE HOME für das Pathos München .

 

Heute möchte ich mehr zur Entstehung von PHONE HOME erzählen. Denn wie wir dieses Projekt seit Mitte 2013 Schritt für Schritt zusammengesetzt haben, grenzt für mich an ein Wunder. Die Idee zu dieser vernetzten Theateraufführung, bei der mehrere Bühnen per Skype verbunden sind, entstand mit folgender Frage: Theater ist immer schon Kommunikation - warum machen wir das Kommunikationsmittel nicht zum Thema?

Vernetzte Alltagswelten als Grundgedanke

Die Stärke des Internet liegt in der Tatsache, dass es keine Einbahnstraße der Kommunikation ist, sondern die Möglichkeit des Austauschs und des Feedbacks bietet. Wenn wir also (etwa durch Livestreaming von Performances) überall auf der Welt eine Tür zu unserem Theater öffnen können, können wir auch auf unserer Bühne Türen zu anderen Theatern öffnen – weltweit. Die sogenannte "Flüchtlingskrise" ist dabei das vielleicht greifbarste Beispiel dafür, dass die Lebenswirklichkeit bei uns direkt davon abhängt, was anderswo passiert. Das Phänomen der Globalisierung wird hier unmittelbar erfahrbar. Wenn wir also Geschichten über Menschen erzählen wollen, die ihr Zuhause verlassen, um ein neues Zuhause in Europa zu finden, dann müssen wir das auf eine vernetzte Weise tun.

Kommunikation und Kooperation: eine Idee nimmt Form an

Anfangs machte ich mich auf die Suche nach zwei Kooperationspartnern: Einen an der Peripherie der Europäischen Union und einen außerhalb, z.B. in Nordafrika. Nach intensiven Recherchen vereinbarte ich ein „Blind (Skype) Date“ mit einem mir unbekannten griechischen Regisseur – und lernte so Yannis Kalavrianos kennen. Er war nicht nur interessiert, sondern auch hervorragend in der griechischen Theaterszene vernetzt und so rückte eine Realisierung des Projekts mit dem Nationaltheater von Nordgriechenland in Thessaloniki im Herbst 2014 in greifbare Nähe.

Die Suche nach Kontakten in Nordafrika gestaltete sich schwieriger und wir beschlossen, eine Show mit nur zwei beteiligten Bühnen zu erarbeiten. Als dann ein Förderantrag, auf den ich gezählt hatte, abgelehnt wurde, stieg Thessaloniki aus. Die neue Idee: die Bewerbung für ein anderes EU-Förderprogramm, für das wir allerdings einen dritten Kooperationspartner innerhalb der EU finden mussten. Wieder war eine Hochgeschwindigkeitsrecherche gefragt, und durch einen Freund in London kam ich mit Tom Mansfield und Upstart Theatre in Kontakt. Einige Skype-Gespräche genügten, um die Verbindung herzustellen, und nachdem PATHOS MÜNCHEN als institutioneller Partner in Deutschland an Bord war, legten wir los. Mit unglaublichem Input von Marilia Stavridou von Highway Productions stellten wir eine Bewerbung für das Förderprogramm Creative Europe zusammen – und erhielten die positive Förderentscheidung im April 2015. Damit war der Grundstein gelegt, doch die „richtige“ Arbeit sollte damit erst noch auf uns zukommen…

 

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Networking mit Skype

Die Pointe dieser Geschichte? Die klassische Art der Beziehungsanbahnung zwischen Theatermachern findet auf Festivals, bei Gastspielen und beim Besuch anderer Vorstellungen statt. Das ist aus finanziellen wie zeitlichen Gründen selten möglich und die Chancen auf internationalen Niveau zu networken sind rar gesät. Aber: es gibt Skype. Die Möglichkeit sich via Internet kennenzulernen gibt es in dieser Form erst seit Skype. Die Videokonferenz für alle hat unsere Arbeitswelt verändert, denn so entsteht ein viel besserer Eindruck einer Person, als das nur am Telefon oder durch Emails der Fall sein könnte.

Theater in der Cloud

"Marriages are made in heaven", heißt es, aber auf Erden werden sie ausgetragen. Analog lässt sich feststellen, dass sich alles, was in der Cloud entsteht – wie zum Beispiel eine internetbasierte Theater-Kooperation – am Ende auf echten Bühnen behaupten muss. Wir alle entdecken und erfahren jeden Tag die Möglichkeiten, die elektronische Kommunikationsformen wie Skype uns im wahren Leben bieten. Im Fall von PHONE HOME war der Transfer erfolgreich. Wir haben uns nach dem virtuellen Kennenlernen schon mehrfach auch im wahren Leben getroffen – jetzt kann uns nichts mehr aufhalten.

 

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Michael Sommer ist künstlerischer Leiter des vernetzten Theaterprojekts PHONE HOME, das zur Zeit von Teams in London, München und Athen erarbeitet und von Skype vernetzt wird.

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