Shocking Harddisk

Neulich in der privaten MVP-Newsgroup: Es beginnt vorgestern eigentlich ganz harmlos, als Thorsten das Thema Sicherung auf DVD-RW aufbrachte. Ich habe mit RW-Datenträgern ja so meine Erfahrungen. Die Brennqualität von Rohlingen mag vielleicht bei Musik oder Video ausreichend sein, weil dort Bitfehler durch Weglassen oder Interpolation "ausgeglichen" werden können - bei einem Datenbackup wäre sowas jedoch fatal. Deshalb habe ich vorsichtig davon abgeraten. Man weiß ja nie, wie lange die halten, was für eine Qualität man kriegt, etc. peng peng.

Alternativ dachte Thorsten auch schon an den Einsatz einer externen Festplatte, die eine tägliche Sicherung aufnimmt. Als sicherste Backup-Variante gelte zwar weiterhin das klassische Band, allerdings meinte er, man könne heutigen Festplatten (extern) mindestens ebenso viel Vertrauen schenken. Dazu sei gesagt, dass er nach seiner eigenen Aussage bisher noch keine Plattenverluste erleiden mußte. Kaputte Platten kommen mir aber schon recht lange unter - meine ersten 20MB ruhen ja schließlich auch schon in Frieden. Deswegen erlaubte ich mir den folgenden Hinweis: Es sei denn, Dir fällt die Platte mal herunter. Dem Tape macht das nicht soviel aus.

Henry, seines Zeichens Access-MVP, merkte daraufhin an: Heutige Festplatten halten Beschleunigungen von bis zu 300G aus. Da musst Du die Festplatte von ziemlich weit oben auf einen ziemlich harten Untergrund runterschmeissen ;-)

300G klingt ja erstmal nach ziemlich viel. Nur wieviel ist ziemlich viel eigentlich? Ich habe gelesen, ein Kampfpilot beschleunige mit dem Eurofighter in einer halben Sekunde auf bis zu 10G. Ist das dann etwa ziemlich wenig? Da ich erst heute Abend von Redmond zurückfliege und mein Notebook mit dem aktuellsten Vista Daily-Build schon läuft, fiel mir ein, dass ich auf dem Hotelzimmerschreibtisch Zettel und Stift gesehen hatte. Da kann man doch mal ein bißchen rechnen. Ist ja sonst auch langweilig allein im Hotel.

Also: Von wie ziemlich weit oben darf ich denn eine Festplatte auf einen wie ziemlich harten Untergrund runterschmeissen?

Zuerst habe ich mal die 300G verifiziert. Die gelten natürlich nicht für alle Platten. Je größer und damit schwerer eine Festplatte ist, umso träger und stoßempfindlicher wird sie. Ich hab also mal bei Hitachi nachgeschaut und typische Modelle rausgegriffen. Da wird die Stoßempfindlichkeit während des Betriebs und im ausgeschalteten Zustand so angegeben:

+---------+------------+------------+----------+------------+-------------+
| Modell: | 1,8" slim | 2,5" IDE | 3,5" IDE | 3,5" SCSI | 3,5" FC |
+---------+------------+------------+----------+------------+-------------+
| An: | 600G/2ms | 200G/2ms | 55G/2ms | 50G/2ms | 46,875G/2ms |
| Aus: | 1.500G/1ms | 1.000G/1ms | 225/2ms | 250G/2ms | 250G/2ms |
+---------+------------+------------+----------+------------+-------------+

Nehmen wir beim Aufschlag idealisierend eine gleichmäßig negativ beschleunigte Bewegung nach unten mit einer ausgeschalteten Festplatte an, die nicht durch ein Strom- oder Datenkabel gebremst wird und exakt plan aufschlägt. Sollte der Boden nicht aus einer zwielichtigen Kaschemme sein (0,4mm?), dann könnte man bei Teppich von einem weicheren Aufprall ausgehen. Wenn ich hier so aus dem Bett schau, dann bietet das Hotel ca. 3,5mm an. Im Bad sieht es schon schlechter aus, da es gekachelt ist. Dort sind es dann vielleicht nur 0,02mm Bremsweg.  Wird das nun eng für die Datensicherung?

Wenn ich mich an meine Physikkenntnisse richtig erinnere (schöne Grüße an meinen alten Lehrer Herrn Bussmann), ist g=9.81m/s². Die Geschwindigkeit zum Beginn des Bremsvorgangs ist v=a*t, der Bremsweg s=0.5at² und somit v²=2a*s. Wenn die Festplatte aus einer Höhe h durch den freien Fall die Geschwindigkeit v hat, dann gilt analog v²=2g*h, was uns somit zu a=gh/s und s=gh/a führt.

Wenn wir nun eine billige 3,5" IDE-Festplatte mit den obigem 225G zum Backup nehmen, dann ist a=225G und somit s=h/225. Umgangssprachlich ausgedrückt bedeutet das, daß die fallende Festplatte eine Beschleunigung von 225G erlebt, wenn der Bremsweg gleich dem zweihundertfünfundzwanzigstel der Fallhöhe ist.

Da wir den Bremsweg auf dem Teppich mit 3,5mm angenommen haben, macht das 3,5mm*225G=787,5mm (78,75cm). Das ist erstaunlicherweise gar nicht so hoch, wie 225G klingen. Aber es kommt noch schlimmer: In der Kaschemme verbleiben nur 90mm und im Bad sind es bei bei 0,02mm plötzlich nur noch 4,5 Millimeter Fallhöhe! Selbst wenn man eine 1,8" Platte (1.500G) zur Datensicherung nimmt, erzielt man auf dem Teppich zwar komfortable 5,25 Meter - in der Kaschemme sinkt der Wert aber schon drastisch auf nur noch magere 60 Zentimeter und im Bad schrumpft es gewaltig auf 30 Millimeter.

Nun verbaut man ja in Servern normalerweise keine 1,8" Platten. Zur externen Datensicherung taugen diese mangels Kapazität auch nicht wirklich. Wenn da im Serverschrank mal die teure Fiberchannelplatte mit dem externen RAID-Array im laufenden Betrieb runterfällt, wird klar, wieso man Platten im laufenden Betrieb nicht bewegen sollte. Das tut dann nämlich richtig weh!

Teppich: 3,5mm * 50G = 175mm
Kaschemme: 0,4mm * 50G = 20mm
Bad: 0,02mm * 50G = 1mm

Vielleicht hat man aber auch Glück und die Platte schlägt mit der Ecke auf und verformt sich besser. Dann steigt nämlich auch der Bremsweg. Andererseits: Wer braucht schon eine Datensicherung? Was wir brauchen, ist ein funktionierendes Restore! Also immer schön die Platte flach halten [:)]